Solaranlage BHV Bremerhaven
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Zur dunkelsten Zeit des Jahres scheint die Aussicht sonnig: Im Zuge der ersten Solarwerkstatt Bremerhaven streben Vertreter*innen aus Verwaltung, Wirtschaft, Energieversorgung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eine Verdreifachung des jährlichen Solarausbaus für die Seestadt an.

Mehr als 30 Personen sind am gestrigen Montag der gemeinsamen Einladung von uns und der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung BIS gefolgt und haben bei Bremerhavens erster Solarwerkstatt mitgewirkt. So unterschiedlich die Hintergründe und Meinungen der einzelnen Teilnehmer*innen, in einem sind sie sich einig: Bremerhavens Dächer bieten hohes Potenzial für Solarenergie. Ziel des Online-Workshops war es daher, Hemmnisse für Errichtung von Photovoltaikanlagen zu identifizieren und konkrete Strategien für einen verstärkten Ausbau von Photovoltaik (PV) in Bremerhaven auszuarbeiten. „Neben Windkraft muss Solarenergie eine deutlich größere Rolle spielen, damit wir unseren Energiebedarf von morgen klimafreundlich erzeugen können“, so Martin Grocholl. „Hierfür brauchen wir einen breiten Konsens zum Solarausbau und den Willen, jetzt loszulegen!“ Mit der Solarwerkstatt solle hierfür ein Grundstein gelegt werden.
Den Auftakt der Online-Veranstaltung machte Dr. Susanne Gatti, Umweltdezernentin und Wissenschaftlerin am Alfred-Wegener-Institut, die sich mit einem eindringlichen Grußwort an die Teilnehmenden richtete: „Die MOSAiC Expedition des AWI hat gezeigt, dass wir dringend an allen Orten – also auch lokal in Bremerhaven – Antworten auf den zügig voranschreitenden Klimawandel benötigen.“ Gatti sitzt auch als Vertreterin Bremerhavens in der Klimaschutz-Enquete-Kommission. Auf die Frage „Können wir das technisch und finanziell in Bremerhaven, und auch Bremen, hinkriegen?" antwortete sie in voller Überzeugung: "Ja, sicher! Wir müssen es nur wollen.“ Ähnlich entschlossen zeigte sich die Mehrheit der Teilnehmer*innen: In einer abschließenden Abstimmung plädierten 68 Prozent, dass die in Bremerhaven installierte Solarleistung in den kommenden zehn Jahren verdreifacht werden solle.

Bislang nur ein Prozent des Solarpotenzials genutzt

Wie hoch das Potenzial im nordischen Bremerhaven tatsächlich ist, zeigte eine von der swb AG beauftragte Auswertung des Solarkatasters aus dem Jahr 2017 von IP SYSCON GmbH, die wir vorgestellt haben: Rund 37.000 Dächer seien demnach für die Nutzung von Photovoltaik gut bis sehr gut geeignet. Das entspräche einer theoretischen Gesamtkapazität von bis zu 990 Megawatt Peak – Faktoren wie Statik oder baurechtliche Einschränkungen sind dort jedoch nicht bedacht. Derzeit wird nur gut ein Prozent dieses Solarkapitals genutzt, obwohl sich die Anschaffung laut Martin Grocholl, in aller Regel nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern auch wirtschaftlich lohne.
Um den Ausbauzahlen Schwung zu verleihen, hatte die Bremer Bürgerschaft im Juni 2020 die Prüfung einer Solarpflicht für Neubauten beschlossen. Die Umsetzung in eine Gesetzesvorlage steht jedoch noch aus. Hildegard Kamp, Leiterin der Abteilung „Umweltwirtschaft, Klima- und
Ressourcenschutz“ bei der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau erläuterte den Anwesenden die Schwierigkeiten ein eigenes Landesgesetz mit dem bundesweit gültigen Gebäudeenergiegesetz in Einklang zu bringen. „Am Einfachsten ist es, wenn die Stadt Grundstücke besitzt und verkauft.“, erklärte Kamp. So ließen sich sämtliche Bedingungen im Zuge des Verkaufs verhandeln. Derzeit prüft das Ressort eine Einbindung der Solarpflicht in das bereits vorangeschritten geplante Landeswärmegesetz.

Mit konkreten Projektvorhaben beginnen

Wie das Photovoltaik-Potenzial auch ohne Pflicht in der Praxis gehoben werden kann, veranschaulichte Referent Sebastian Averdung, der mit seinem Planungsbüro Averdung Ingenieure und Berater GmbH in den vergangenen zehn Jahren große Photovoltaikvorhaben in Hamburg und Berlin projektiert und umgesetzt hat. Oftmals wurden diese Projekte von der Kommune beauftragt und als Joint Venture mit unterschiedlichen Akteur*innen aus der Kommune, der Energie- und Finanzwirtschaft und dem privaten Sektor realisiert. „Durch die Planung konkreter und abgesteckter Projekte, können große Mengen an PV-Leistung in einer Stadt umgesetzt werden“, so Averdung. „Es ist wichtig vom Planen ins Handeln zu kommen.“ Mithilfe von externen Anbieter*innen sei es Städten so möglich fehlendes Know-How in der Verwaltung einzukaufen und klare Zuständigkeiten für die Umsetzung und den Erfolg zu vergeben.

Mehr politischer Mut und öffentlichkeitswirksame Kampagnen gefordert

In der Abschlussrunde forderten die Teilnehmer*innen vor allem ein größeres Bekenntnis der Bremerhavener Politik und aller großen Wirtschaftsakteure zum Thema Solar. „Auch Unternehmen können einen wichtigen Beitrag zum Thema Solar leisten“, bekräftigte Nils Schnorrenberger, Geschäftsführer der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung BIS und Co-Veranstalter. „Als Wirtschaftsförderin wollen wir Unternehmen zu diesem Schritt ermutigen, sie informieren und dabei unterstützen. Als ersten Schritt wollen wir nun Bedarfe und etwaige Hemmnisse bei Bremerhavener Betrieben abfragen, um passgenaue Angebote schaffen zu können.“ Zusätzlich wurde die Bedeutung und Ausweitung von Öffentlichkeitskampagnen wie der bereits existierenden Kampagne „Solar in Bremen und Bremerhaven“ von den teilnehmenden Akteur*innen hervorgehoben. Die Veranstaltung endete mit dem Bekenntnis sich künftig wieder zu diesem Thema zusammen zu finden. „Die Solarwerkstatt war ein guter Auftakt“, so Schnorrenberger. „Ich freue mich auf den weiteren Austausch und darauf, das Thema Solar in Bremerhaven voranzubringen.“