Klimaschutzmanager*innen im Land Bremen: Dr. Doris Sövegjarto-Wigbers von der Universität Bremen
Seit über 20 Jahren setzt sich Dr. Doris Sövegjarto-Wigbers schon für Klima- und Umweltschutz ein. 2014 überreichte ihr energiekonsens-Geschäftsführer Martin Grocholl dafür sogar den jährlichen Klimaschutzpreis. Mittlerweile ist die promovierte Biochemikerin und Toxikologin als Geschäftsführerin des Nachhaltigkeitsforums und als Umweltmanagementkoordinatorin der Universität Bremen tätig. Im Berufsalltag bringt sie sowohl Kenntnisse aus ihrer wissenschaftlichen Laufbahn – zum Beispiel im Bereich Schadstoffentsorgung – als auch neue Ideen ein, etwa in der Energiesparkampagne, die sie zum Jahreswechsel 2021/22 initiierte. „Ich finde, Universitäten haben eine große Verantwortung. Sie bilden Führungskräfte für die Zukunft aus“, sagt Sövegjarto-Wigbers bezüglich der zunehmenden Bedeutung von Nachhaltigkeit an Hochschulen. Im Interview mit der energiekonsens-Redaktion berichtete die Umweltmanagerin, wie sie mit ihrer Arbeit dazu beitragen will, dass die Universität Bremen ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz wird.
Frau Sövegjarto, was genau ist das Umweltmanagementsystem der Universität Bremen und wofür sind Sie darin zuständig?
Wir haben ein nach EMAS (Eco Management and Audit Scheme) zertifiziertes Umweltmanagementsystem. Das ist eine gesetzlich festgelegte Struktur nach einer europäischen Norm und ich arbeite die Vorgaben ab und bringe neue Aspekte ein, dieses Jahr mache ich den 20. Zyklus. Damals, 2004, sind wir zum ersten Mal validiert worden – das ist die Fachbezeichnung dafür, wenn man durch einen externen Begutachter begutachtet wird. Das bringt natürlich einen Fülle an Aufgaben mit sich. Ich habe damals zuerst eine grundlegende Umweltbetriebsprüfung an der Universität durchgeführt. Das heißt, ich musste alle Bereiche mit einbeziehen – alle Dezernate, alle Fachbereiche, alle Abteilungen – und mit ihnen ‚Audits‘ (Prüfgespräche) führen. Es gibt an der Universität Bremen viele umweltrelevante Prozesse wie z.B. der Umgang mit Müll oder Gefahrstoffen oder die Ressourcenverbräuche (Wärme, Strom, Wasser). Diese habe ich unter Mitarbeit der entsprechenden Fachkräfte analysiert und die Verfahren in einem Umwelthandbuch beschrieben – das ist auch veröffentlicht auf unserer Internetplattform. Diese Audits, die ich jährlich mit der gesamten Universität führe, protokolliere ich alle. Die ganzen Protokolle eines Jahres fasse ich dann zusammen in einen Bericht und diesen stelle ich der Universitätsleitung vor. In den Bericht fließen auch immer Vorschläge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, was verbessert werden könnte. Diese Vorschläge diskutiere ich mit der Universitätsleitung, schreibe ein weiteres Protokoll und dann kommt ein externer Begutachter und kontrolliert den gesamten Prozess einschließlich der jährlich veröffentlichten Umwelterklärung, die im System zwingend ist.
Welche Aufgaben erledigen Sie als Geschäftsführerin des Nachhaltigkeitsforums und Umweltmanagementkoordinatorin außerdem?
Ich muss regelmäßig eine Umwelterklärung verfassen und veröffentlichen. In der Umwelterklärung ist das Umweltprogramm mit genauen Maßnahmen enthalten, was wir hier an der Universität umsetzen wollen. Der Gutachter überprüft das Programm und die Zahlen zu unserem Stromverbrauch, Wärmeverbrauch, Wasser, wie viel Quadratmeter Grundfläche wir haben und so weiter. Wenn er sieht, dass das alles seine Richtigkeit hat, dann bekommen wir das EMAS- Zertifikat, sind in einem europäischen Register eingetragen und dürfen das Logo weiter nutzen. Letztes Mal, 2021, fiel die Umwelterklärung ausführlicher aus – und ich habe sie auch auf Englisch übersetzt. In der Umwelterklärung werden die Umweltleistungen der Universität dargestellt. Darüber hinaus enthält sie auch Informationen zu ausgewählten Umweltaspekten. Forschung und Lehre z.B. kann ich immer nur exemplarisch darstellen, da diese im Umwelt- und Klimaschutzkontext sehr umfangreich sind. Als wir 2011 die Solargenossenschaft gegründet hatten, wurde dies etwa in der Umwelterklärung thematisiert. Wenn wir Energiesparkampagnen durchführen oder irgendein bestimmtes Gebäude auffällt, schreibe ich das dort rein. Auch unsere Aktivitäten in der Lehre für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit an der Uni habe ich im aktuellen Bericht ausführlich beschrieben.
Wie sind Sie ursprünglich zu Ihrer Tätigkeit an der Universität Bremen gekommen?
Beim Umweltmanagement ist es schwierig, die ganze Universität im Blick zu behalten. Deswegen wurde damals ein Umweltausschuss gegründet – also ein Gremium mit allen Leuten, die umweltrelevante Tätigkeiten innehaben, Leute aus der Forschung und Lehre und natürlich der Personalrat. Wir haben uns einmal im Monat getroffen und immer unterschiedliche Umweltaspekte diskutiert und versucht die EMAS-Systematik aufzubauen und zu koordinieren. Hier gab es mit der Zeit eine Weiterentwicklung, bei der nachhaltige Themen eine immer größere Rolle gespielt haben. Nach langen Diskussionen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass der Umweltausschuss sich weiterentwickeln sollte in ein Nachhaltigkeitsforum. Da ich im Umweltausschuss vorher schon immer die Geschäftsführung innehatte, habe ich diese Aufgabe für das Nachhaltigkeitsforum übernommen. Inzwischen ist es so, dass ich eigentlich diejenige bin, die sich da am besten auskennt. Das können Sie sich ja vorstellen, wenn man 20 Jahre mit Leuten regelmäßig diskutiert, kriegt man schon einen guten Überblick. Dabei kommen verschiedenste Fragen auf: Was sind umwelt- und klimaschutzrelevante Inhalte in der Forschung, was ist mit dem Arbeitsschutz, wie werden Chemikalien gelagert, welche Gesetze sind wichtig, wie entwickeln sich der Ressourcenverbrauch?
Seit wann machen Sie den Job schon – seit 20 Jahren also?
Nein, sogar schon länger. Wir haben 1996 angefangen mit dem Umweltausschuss und bis wir zu dem Schluss gekommen sind, dass wir ein EMAS-System einrichten wollen, dauerte das eine Zeit lang. Ich hatte 1997 den ersten Umweltbericht der Universität verfasst – als Werksprodukt sozusagen – 2000 das nächste Mal und dann kam über einen Forschungsantrag der Beschluss, dass wir das EMAS-System einführen wollen.
Und ab dann hatten Sie diese Stelle?
Die Stelle kam erst später. Ich komme aus der Wissenschaft, bin Chemikerin von meinem Grundstudium her und habe in Biochemie und Toxikologie promoviert. Das ist schon etwas Besonderes, wenn man aus der Wissenschaft langsam in die Universität wechselt. Und das war keine Stelle, die ausgeschrieben war, sondern ich habe das erarbeitet.
Ein fließender Übergang also?
Ja genau, ich habe zunächst immer Zeitverträge bekommen. Die ersten Umweltberichte waren Werkverträge, danach habe ich Zeitverträge bekommen, dann erst eine halbe Stelle Umweltmanagement und inzwischen bin ich auch Klimaschutzmanagerin geworden.
Der Klimaschutzaspekt ist für uns natürlich besonders interessant. Sie setzen mit dem Umweltmanagementsystem auch eine Energiesparkampagne um. Welche Ziele verfolgen Sie damit?
Die Energiesparkampagne haben wir zum Jahreswechsel 2021/2022 durchgeführt. Dazu wurden mir vom Land Bremen Finanzmittel zur Verfügung gestellt und auch Klimaschutzgelder vom Bund. Das war natürlich ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt wegen Corona, aber ich musste das Geld zu diesem Zeitpunkt ausgeben, weil die Gelder sonst verfallen wären. Es war schwierig umzusetzen, nichtsdestotrotz kam das sehr gut an. Die Mitarbeiter haben sofort darauf reagiert, ich habe ganz viel positive Rückmeldung dazu bekommen. Ich kann aber noch nicht sagen, ob Energie eingespart wurde oder nicht. Das ist nicht trivial hier, wir haben über 60 Gebäude und den gesamten Energieverbrauch kriege ich immer erst am Ende des Jahres raus.
Können Sie denn etwas zu den Maßnahmen sagen? Also wie genau diese Kampagne konstruiert ist?
Angefangen habe ich mit einer Umfrage, wie die Mitarbeiter und die Studierenden zu Klimaschutz stehen und daran haben sich viele beteiligt. Dann habe ich zusätzlich eine App namens ‚Klima-Karl‘ mit eingekauft. So wurde das Thema dann spielerisch erarbeitet – Klimaschutz als ein kleiner Wettbewerb: Wie komme ich zur Arbeit? Was habe ich heute Morgen und zum Mittag gegessen? Dann gab es noch Energiesparthermometer, die ich verteilt habe. Da konnte dann jeder schauen, wie viel Grad es im Raum sind. Außerdem gab es Hinweise, dass man die Heizung runterdrehen soll und ich habe Steckerleisten verteilt.
Die Größe der Universität Bremen haben Sie schon angesprochen. Wie läuft denn der Austausch mit den Instituten der Uni und wie eng sind Sie mit der Forschung verknüpft?
Im Umweltmanagement muss ich auch immer wieder das Produkt betrachten. Das heißt ich muss prüfen, welche umweltrelevanten Forschungsthemen und Lehrveranstaltungen wir haben. Ich suche alle Lehrveranstaltungen raus, die irgendwie Umweltbezug haben. In Biologie ist das ganz viel, in Mathematik ist das ein bisschen weniger. Gerade diskutieren wir im Nachhaltigkeitsforum noch, inwieweit wir unsere Lehrveranstaltungen für die Studierenden sichtbar machen können, wie wir sichergehen, dass diese einen Nachhaltigkeitsbezug haben und mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen übereinstimmen. Natürlich muss ich dem Umweltgutachter immer wieder zeigen, was wir hier mit Umweltrelevanz erforschen und hier hat die Universität sehr viel zu bieten. Wir haben das Marum, in Biologie passiert eine ganze Menge, aber auch in Produktionstechnik und in der Umweltphysik. Jetzt gerade bei der nächsten Begutachtung plane ich eine Besichtigung des BIBA (Bremer Institut für Produktion und Logistik), wo ganz viel im Bereich der regenerativen Energien in der Lehre gemacht wird. Das BIBA plant zurzeit neue Solaranlagen in Kooperation mit der Solar-Genossenschaft.
Welche Rolle können Universitäten einnehmen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken? Haben sie eventuell auch eine gewisse Verantwortung?
Ich finde, Universitäten haben eine große Verantwortung. Die bilden Führungskräfte für die Zukunft aus und müssten eigentlich viel mehr machen, vor allem in der Ausbildung. In der Forschung passiert auch schon eine ganze Menge. Also Umweltforschung wird bei uns beispielsweise sehr intensiv und mit Freude betrieben. Insbesondere ist es lobenswert, dass auch Sprachwissenschaften sich dem Thema Nachhaltigkeit angenommen haben. Das ist schon eine gute Sache. Forschung ist ein Aspekt, aber wir sind letztendlich ein riesengroßer Betrieb, haben 3.500 Mitarbeiter, ein Areal von 500.000 qm und über 60 Gebäude. Hier haben wir noch viel mehr Einsparpotenzial, aber ich weiß gerade noch nicht, wie ich da weiter vorankomme. Das ist eine große Herausforderung. Der Ukrainekrieg und die ganze Energiekrise hat uns jetzt schon mal die Grenzen aufgezeigt. Aber wir hatten auch vorher schon eine Klimakrise. Auch über die Dienstreisen müssen wir uns Gedanken machen. Wissenschaft funktioniert eben nicht nur, wenn man irgendwo hinfährt. Wir haben jetzt mit Corona gelernt, dass einiges auch online geht. Das sehen auch immer mehr Leute ein und nutzen Online-Formate.