Finger zieht Jalousie runter, Sonne scheint durchs Fenster
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Die Sommer werden wegen des Klimawandels heißer, Perioden mit hoher Sonneneinstrahlung häufiger und länger. Deshalb braucht es einen Wärmeschutz an beziehungsweise in Gebäuden und zwar insbesondere auch dort, wo gearbeitet wird – zum Bespiel in Verwaltungsbauten im Bestand. Grund genug für die Klimaschutzagentur energiekonsens, sich dem Thema im Rahmen einer Online-Veranstaltung zu widmen. Für diese konnten zwei Experten auf dem Gebiet als Referenten gewonnen werden: Timo Schmidt, Projektingenieur bei der Werner Sobek AG und Professor an der Hochschule für Fassadentechnologie und Design, sowie Heiko Schiller, Geschäftsführer von schiller engineering. Beide zeigten auf, welche passiven Wärmeschutzmaßnahmen – auch zum Nachrüsten – es gibt und was bei der Planung zu beachten ist.

Bremen, 09. Juni 2022. Zu Beginn seiner Ausführungen nannte Timo Schmidt eine Zahl: „Es gibt rund 186.000 öffentliche Gebäude in Deutschland. Sie energetisch zu sanieren, darin liegt ein großes CO₂-Einsparpotenial. Dabei kommt der Fassade eine enorme Bedeutung zu, da Transmissionswärmeverluste und Lüftungswärmeverluste durch die Fassade derzeit zu hohen Energieverbräuchen führen. Fehlende oder unzureichende Sonnenschutzvorrichtungen reduzieren die Behaglichkeit und führen zu hohen Kühllasten.

Portraitfoto Timo Schmidt, Professor an der Hochschule Augsburg für Fassadentechnologie und Design
© Timo Schmidt
Seit 2013 forscht Timo Schmidt als Professor an der Hochschule Augsburg zu Fassadentechnologie und Design

Ein niedriger G-Wert, der den Gesamtenergiedurchlass eines transparenten Bauteils beschreibt, hat aber oft auch einen entscheidenden Nachteil: Die Lichttransmission – also der Eintritt von Tageslicht – ist dadurch ebenfalls reduziert. „Das hat negative Auswirkungen, die es mit zu bedenken gilt“, so der Diplom-Ingenieur: „Tritt weniger Tageslicht ein, braucht es mehr Kunstlicht, was die Energiekosten trotz Einsatz von LED-Leuchten erhöht. In Hochhäusern kann das ein Wert sein, den es aus ökologischer und ökonomischer Sicht abzuwägen gilt.“

Tageslicht beeinflusst Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit

Ein Faktor, der aus seiner Sicht sogar noch schwerer wiegt: „Der Mensch braucht natürliches Licht für sein Wohlbefinden und noch dazu einen Ausblick, der durch Sonnenschutzmaßnahmen wie Markisen oder Jalousien, aber auch verdunkelte Fenster genommen beziehungsweise eingeschränkt wird. Beides, Licht und Blick, beeinflusst unsere Gesundheit und macht uns leistungsfähiger.“

Timo Schmidt führte dazu das Ergebnis einer Studie des Industrieverbands Beruf und Arbeitswelt von 2017 an. Demnach gaben 88 Prozent der Befragten an, am Arbeitsplatz eine gute Versorgung mit Tageslicht zu bevorzugen. Einem Bericht des World Green Building Council zufolge, so der Referent weiter, steigert dieses die Produktivität von Beschäftigten um bis zu 18 Prozent.

Er plädierte deshalb dafür, die Wechselwirkung zwischen Menschen, Funktion und Gestaltung einer Immobilie mehr in den Fokus zu nehmen. „Da sind die Architekten gefragt“, betonte Timo Schmidt. Es gebe bereits einige Möglichkeiten und Systeme, Tageslicht fast überall in einem Bauwerk nutzbar zu machen: zum Beispiel mit Hilfe von Prismen und Reflektoren oder durch einen differenzierten Einsatz von Fenstergläsern mit unterschiedlichen Sonnenschutzbeschichtungen.

„Auch eine PV-Anlage auf dem Dach oder in der Fassade kann an heißen Tagen mit selbst produziertem Strom die zusätzlich benötigte Kühlenergie regenerativ erzeugen. Für ein gutes Arbeitsklima sollte nicht das gesamte natürliche Tageslicht ausgesperrt werden.“

Transparente Flächen optimieren und verteilen

Heiko Schiller lieferte ebenfalls Fakten. Er hat die Außentemperaturen in Potsdam über einen Zeitraum von 2000 bis 2020 ausgewertet und dabei festgestellt: Die jährlichen Stunden, in denen es über 26 Grad und damit heiß ist, nimmt eindeutig zu. „Bei langanhaltenden Perioden fällt es dann schwer, Räume kühl zu halten – insbesondere auch weil das nachweislich wirksame sommernächtliche Lüften in Büro- und Verwaltungsgebäuden mit Blick auf den Regen- und Einbruchschutz in der Regel keine Option darstellt“, erläuterte der Spezialist für Bauphysik. Hier wären Lüftungsöffnungen oder Fensterflügel mit Wetterschutzgitter eine praktikable Lösung, die auch nachträglich eingebaut werden könnten.

Portraitfoto Heiko Schilling von Schiller Engineering
© Schiller Engineering
Bauphysik-Experte Heiko Schilling empfiehlt sommerlichen Wärmeschutz und die Nutzung von Licht in Wintermonaten gemeinsam zu optimieren - beispielsweise durch mobile Schutzeinrichtungen.

Unterstützt wird die Wirkung der Sommernachtlüftung, wenn wärmespeichernde, schwere Materialen zum Einsatz kommen und auf Verkleidungen, die Temperaturwellen dämpfen, verzichtet wird. Ein innovativer Ansatz für den Ausbau, so der Experte, wären Phase Change Materials – das sind Latentwärmespeicher, die einen hohen Anteil von Wärme- und Kälteenergie über lange Zeit speichern und verlustfrei wieder abgeben können.

Bei Sonnenschutz auf Flexibilität achten

Wie sein Vorredner empfahl auch er, bei der Umsetzung von sommerlichem Wärmeschutz Wert auf die Optimierung und Verteilung der transparenten Flächen, also der Fenster, zu legen. „Eine starre Verschattung und Sonnenschutzgläser stehen im Widerspruch zur passiven Solarenergienutzung im Winter. Denn dann sollten wir Sonne ins Gebäude hineinlassen“, sagte Heiko Schiller. Das sei mit beweglichen Schutzanlagen möglich, die sich saisonal anpassen lassen.

Weitere technische Lösungen wurden vorgestellt, abschließend vom Referenten jedoch noch einmal betont: „Energieeffizientes Bauen und Sanieren ist wichtig, braucht aber ein bewusstes Planen und eine differenzierte Betrachtung. Wichtig ist, dabei Energieexperten einzubinden.“ Weitere Veranstaltungen von energiekonsens finden sich im Programm der klima:akademie unter: energiekonsens.de/veranstaltungen